top of page
AutorenbildSusanne Heinen

Weihnachtskugeln, kleine Wunder aus Glas



Heute, am 22. Dezember 2024, der gleichzeitig der 4. Advent ist, steht vielleicht auch bei dir zu Hause schon ein geschmückter Weihnachtsbaum. Doch hast du dich schon einmal gefragt, welche Geschichte hinter den schönen Glaskugeln steckt, die da in deinem Baum funkeln?


Die Weihnachtskugel, wie wir sie heute kennen, geht auf die Handwerkskunst des 19. Jahrhunderts zurück. Ihre Geschichte ist eng mit der Glasbläserei und den Traditionen von Regionen wie dem thüringischen Lauscha verbunden. Dieser Artikel beleuchtet die Entstehung dieser Schmuckstücke, die Arbeitsbedingungen der Glasbläser und den Moment, als die bunten Kugeln „die Welt eroberten“.



Das ist das Türchen 22 von meinem Blog Adventskalender 2024.


In diesem Artikel gehen wir zurück in eine Zeit, in der eine Weihnachtskugel aus Glas noch kein Massenprodukt war und viele Hände an der Gestaltung einer einzigen Glaskugel arbeiteten.







Die Anfänge der Weihnachtskugel: Not macht erfinderisch


Es gibt eine Legende aus dem Jahr 1847, die erzählt, dass ein armer Glasbläser aus Lauscha in Thüringen auf die Idee kam, aus Glasformen Christbaumschmuck herzustellen, da er sich teuren Schmuck aus Nüssen und Äpfeln nicht leisten konnte. Umgekehrt war für ihn das Glas als Rohstoff in dieser Region vergleichsweise günstig und leicht zugänglich. Die Rohmaterialien für die Glasproduktion, wie Quarzsand, Kalk und Pottasche, waren in der Umgebung der großen Glashütten leicht verfügbar.

Aus seinem handwerklichen Geschick heraus entstand dann die Idee, aus Glas Kugeln zu formen, die das Aussehen der kostbaren Äpfel und Nüsse imitierten. Diese ersten Kugeln waren zunächst einfach und ungefärbt. Doch schon bald erkannten andere Glasbläser die Möglichkeit, mit farbigen Glasuren und Spiegelbeschichtungen prunkvollere Glaskugeln herzustellen.


Die Glaskugeln wurden zunächst in der Region verkauft, fanden jedoch schnell Anklang in anderen Teilen Deutschlands und darüber hinaus. Besonders im 19. Jahrhundert, als der geschmückte Weihnachtsbaum immer populärer wurde, verbreitete sich auch der Schmuck aus Lauscha weltweit.



Dazu findest du Informationen in meinem Artikel:







 

Die Arbeitsbedingungen der Glasbläser im 19. Jahrhundert


Das Glasbläserhandwerk war anspruchsvoll und gefährlich, und das Leben der Arbeiter um 1900 war von harter Arbeit und bescheidenen Verhältnissen geprägt. Arbeitsschutz oder angemessene Sicherheitsmaßnahmen waren noch Fremdwörter. Glasbläser arbeiteten oft in kleinen, schlecht belüfteten Werkstätten. Mit dünnen „Beinkleidern“ standen sie mit freiem Oberkörper an den heißen Schmelzöfen. Es war eine harte Arbeit und viele erkrankten auch früh, denn sie waren den Dämpfen von Chemikalien (z. B. Quecksilber) ausgesetzt, die für die Spiegelbeschichtung verwendet wurden. Auch die Hitze der Glasöfen machte die Arbeit beschwerlich. Das erreichte Lebensalter lag oft unter 60 Jahren. Alle Familienmitglieder, einschließlich Frauen und Kinder, mussten früh zum Lebensunterhalt beitragen.


Doch es gab einen deutlichen Unterschied zwischen den Glasbläsern, die in großen Hallen oder Manufakturen arbeiteten, und jenen, die sich auf die Herstellung von Baumschmuck aus Glas spezialisiert hatten. Die Glasbläser, die Weihnachtskugeln, Zapfen oder filigrane Figuren formten, arbeiteten häufig in kleinen, familiären Strukturen, die eng mit ihrem Zuhause verbunden waren. Ihre Werkstätten befanden sich oft direkt im eigenen Haus oder in einem angrenzenden Gebäude. Diese Heimwerkstätten waren meist bescheiden ausgestattet und bestanden aus einem kleinen Raum mit einem einfachen Schmelzofen.


In diesen Werkstätten war die Arbeit oft eine Familienangelegenheit. Während der Glasbläser selbst die Rohlinge formte, übernahmen Frauen und ältere Kinder das Bemalen und Verzieren der fertigen Stücke. In Regionen in Thüringen entstanden so ganze Dorfgemeinschaften von Glasbläsern, die in enger Zusammenarbeit produzierten. Manche Familien spezialisierten sich ausschließlich auf die Herstellung der Rohlinge, während andere die filigrane Bemalung übernahmen. Diese Arbeitsteilung prägte die Glasbläserkunst dieser Zeit.


Die Arbeit zu Hause hatte viele Vorteile. Sie erlaubte es den Familien, flexibel zu arbeiten und gleichzeitig den Lebensunterhalt gemeinsam zu sichern. Die Glasbläser konnten dort ihre individuellen Techniken und künstlerischen Ideen einbringen, was oft zu einzigartigen und kunstvollen Stücken führte. Doch die Bedingungen waren alles andere als leicht. Die Glasbläser waren auch in ihren Heimwerkstätten den gesundheitlichen Risiken der Glasbearbeitung ausgesetzt. Die Dämpfe von Chemikalien, die für die Spiegelbeschichtung oder Farbgebung verwendet wurden, sowie die enorme Hitze der Schmelzöfen belasteten die Arbeiter erheblich. Schutzvorkehrungen gab es zu dieser Zeit kaum.


 

Der internationale Durchbruch der Glaskugel


Der Durchbruch der Weihnachtskugeln kam, als Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Exportmärkte erschlossen wurden. Besonders in England und den Vereinigten Staaten wurden die Kugeln beliebt. Die Verbindung mit dem Weihnachtsbaum selbst, der durch die britische Königin Victoria und ihren deutschen Ehemann Prinz Albert bekannt gemacht wurde, beschleunigte dort die Verbreitung der Weihnachtskugeln.


Um 1860 begannen Glasbläser in Lauscha, auch Figuren wie Engel, Tannenzapfen oder kleine Tiere herzustellen. Diese Vielfalt sorgte dafür, dass der Christbaumschmuck zu einem globalen Erfolg wurde. Ende des 19. Jahrhunderts war es sogar möglich, Weihnachtskugeln aus Lauscha in Kaufhäusern in New York zu erwerben.



Aus bunten Kugeln werden Figuren und Ornamente


Die heute bekannten bunten Kugeln entstanden durch den Fortschritt in der Technik und kreative Experimente. Ihre leuchtenden Farben wurden mithilfe spezieller Glasuren oder durch das Eintauchen in farbige Chemikalien erzeugt. Der charakteristische Glanzeffekt der Kugeln ging auf eine Spiegelbeschichtung aus Silbernitrat zurück, die erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts in Lauscha angewandt wurde. Diese Innovation machte die Kugeln noch begehrenswerter und trug zu ihrem weltweiten Erfolg bei.


Doch bald gingen die Glasbläser über die Herstellung einfacher, farbiger Kugeln hinaus. Neben natürlichen Motiven wie Früchten und Tieren entstanden auch figürliche Darstellungen, darunter Engel, Vögel und andere weihnachtliche Symbole. Diese Ornamente wurden oft mit feinen Details bemalt, was ihre Einzigartigkeit und ihren künstlerischen Wert erhöhte. Mit der Verfeinerung der Technik rückte auch die kunstvolle Ausgestaltung der Kugeln in den Fokus.


Ein wichtiger Schritt war die Bemalung, die den Kugeln ihren individuellen Charakter verlieh. Diese Arbeit wurde meist von Frauen ausgeführt, die in den Werkstätten und Familienbetrieben der Glasbläser tätig waren. Die Bemalung erfordert eine ruhige Hand, große Präzision und künstlerisches Geschick.


Mit feinen Pinseln und speziellen Farben brachten sie kunstvolle Muster, Motive oder sogar kleine Szenen auf die Glasoberflächen. Die verwendeten Farben waren oft wasserbasiert oder auf Lackbasis, die durch besondere Fixiermethoden haltbar gemacht wurden. Um den Kugeln zusätzlichen Glanz und Eleganz zu verleihen, kamen Vergoldung und Versilberung zum Einsatz. Auch Glimmer oder feiner Glitter wurden häufig verwendet, um dekorative Akzente zu setzen und die Kugeln zu kleinen Kunstwerken zu machen.


Neben der Bemalung gab es weitere Handwerksarbeiten, die in die Herstellung einflossen:


  • Metallverzierungen: Kleine Metallteile wie Kappen, Aufhänger oder Clips wurden von Schmieden oder Metallarbeitern hergestellt. Diese dienten sowohl der Befestigung als auch der Verzierung.

  • Perlenstickerei: In einigen Regionen wurden Glasperlen auf feine Drähte aufgefädelt und als zusätzliche Verzierungen für die Kugeln verwendet.

  • Papierkunst: Manche Kugeln wurden mit kleinen Papierdetails wie Engelsflügeln oder gedruckten Bildern beklebt, die das Weihnachtsmotiv ergänzten.


Zusammengefasst machen all diese Arbeitsschritte jede der damals gefertigten Glaskugeln zu einem kleinen Kunstwerk. Aus unserer heutigen Perspektive ist kaum vorstellbar, wie viel Liebe zum Handwerk, Geduld und Präzision in dieser Arbeit steckten.


 

Weihnachtskugeln im 21. Jahrhundert


Die Weihnachtskugel, die wir heute in Baumärkten oder bei Discountern zu kaufen bekommen, hat wenig mit diesem ursprünglichen Kunsthandwerk zu tun. Der Kontrast zwischen traditionellem Kunsthandwerk und moderner Massenproduktion könnte nicht größer sein. Während die Glasbläserkunst in einigen Regionen, wie Lauscha in Deutschland, weiterhin gepflegt wird, ist die Produktion von Weihnachtskugeln inzwischen weltweit industrialisiert.


Das traditionelle Kunsthandwerk ist heute vorwiegend in kleinen Manufakturen oder bei spezialisierten Kunsthandwerkern zu finden, die handgefertigte und oft kunstvoll bemalte Kugeln herstellen. Diese Kugeln zeichnen sich durch die hohe Qualität, das einzigartige Design und die Verwendung traditioneller Techniken aus. Sie sind besonders bei Sammlern und Liebhabern gefragt, die Wert auf Authentizität und Individualität legen. Allerdings ist dieses Handwerk zeitintensiv und kostenintensiv, weshalb handgemachte Weihnachtskugeln oft teurer und ein Nischenmarkt geblieben sind.


Im Gegensatz dazu wird der Großteil der Weihnachtskugeln heute industriell gefertigt, hauptsächlich in China. Dort wird etwa zwei Drittel des weltweit verkauften Weihnachtsschmucks produziert. Diese Kugeln werden aus Kunststoff oder maschinell geblasenem Glas hergestellt und oft mit automatisierten Verfahren lackiert oder bedruckt. Die industrielle Produktion ermöglicht es, große Mengen an Kugeln zu niedrigen Preisen herzustellen, was sie für den Massenmarkt zugänglich macht. Allerdings gehen dabei der Charme und die Einzigartigkeit verloren, die handgefertigte Kugeln auszeichnen. Zudem gibt es Berichte über problematische Arbeitsbedingungen in der Massenproduktion, insbesondere durch den Umgang mit Chemikalien und unzureichende Arbeitsschutzmaßnahmen.


Die Glaskugel im 21. Jahrhundert vereint Tradition und Moderne, Kunsthandwerk und Massenproduktion. Durch die industrielle Fertigung sind Glaskugeln heute weltweit verfügbar und erschwinglich. Gleichzeitig bleibt das Kunsthandwerk ein kulturelles Erbe, das die Geschichte und den besonderen Reiz dieser Weihnachtsdekoration bewahrt. Seit dem Jahr 2021 ist der Christbaumschmuck aus Lauscha immaterielles Kulturerbe der Unesco.


 

Meine Liebe zu Weihnachtskugeln


Seit meiner Kindheit bin ich fasziniert von Weihnachtsschmuck. Meine Uroma hatte eine kleine Schachtel mit wenigen Glaskugeln und kleinen Glasvögeln, die sie wie kleine Schätze aufbewahrte. In den 1970er Jahren wurde diese Schachtel nur zu Weihnachten hervorgeholt, und ich durfte die zerbrechlichen Kugeln ganz vorsichtig in die Hand nehmen. Es waren sehr aufwendige Glaskugeln, mit Prägungen nach innen oder Silberbestäubung und zarten Farben. Die kleinen Weihnachtsvögel saßen krumm auf einem Metallclip in den schönsten Blau- und Grüntönen. Seit Jahrzehnten „fahnde“ ich in meiner Familie nach diesem Kugelkarton, doch ich befürchte, er ist vermutlich längst durch Umzüge weggeworfen worden.


Nussknacker Glaskugel
"Nussknacker", meine Weihnachtskugel 2024


Seit einigen Jahren habe ich jedoch eine eigene Tradition in meiner Familie, bei der ich jedes Weihnachten eine ganz besondere Weihnachtskugel bekomme. Dabei spielt nicht der Wert der Kugel eine Rolle, sondern die Besonderheit.


Es kann eine Weihnachtskugel aus dem Discounter sein, eine teure handgefertigte Glaskugel oder auch eine Weihnachtskugel aus Kunststoff. Wichtig ist, dass sie eine Besonderheit hat, eine besondere Farbe, Bemalung oder Form.


Ich werde am Ende dieses Artikels eine kleine Bildergalerie einbauen und würde mich freuen, wenn du mir ein Bild deiner absoluten Lieblingsweihnachtskugel sendest. Gerne auch mit einer kleinen Anekdote, warum es diese eine ist :-).

 

In der Geschichte der Glaskugel kann man sich verlieren, und ich musste mich etwas begrenzen, damit dich nicht eine Informationsflut in diesem Artikel überrollt. Falls dich das Thema interessiert, habe ich hier noch Links zu Dokumentationen, weiterführenden Berichten oder Museen.


Weitere Informationen zum Thema findest du hier:


Bericht:



Museen:



Kurzfilme:



 

Sei dabei: Galerie besonderer Weihnachtskugeln


Hier ist hoffentlich bald ein Bild deiner Lieblingskugel zu sehen:




 

Bist du auch eine Kugelsammlerin? Ich freue mich sehr über einen Austausch mit dir in den Kommentaren.



Dies war ein Blogbeitrag im Rahmen des Blog-Adventskalenders 2024.

24 magische Tage voller inspirierender Geschichten, kreativer Ideen und festlicher Stimmung.









69 Ansichten1 Kommentar

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

1 Comment


Steffi
Dec 22, 2024

Liebe Susanne,

an die kleinen Vögelchen kann ich mich auch noch erinnern, davon waren ein paar am Christbaum meiner Kindheit. Wie du ja schon weißt, sammle ich seit einigen Jahren Weihnachtsherzen. Davon habe ich mittlerweile so viele, dass nicht mehr alle an unseren Baum passen. Lieblingsherz habe ich keines, aber eines ist besonders: Ein kleines rotes Herz, dessen Beschichtung halb ab ist, ein Teil ist also silber. Diese Kugel habe ich aus dem Hochwasser gerettet, das 1998 die ehemalige Wohnung meines Großvaters heimgesucht hat.

Hab noch einen schönen Advent!

Steffi

Like
bottom of page